GESAMMELTE GEDANKEN ZUM BUCH
EINGEFÜHRT UND PRÄSENTIERT VON WENDELIN STRUBELT IM GESPRÄCH MIT DEM REDAKTIONSTEAM
1.
Es sei mir erlaubt, ein paar erinnernde Worte voranzustellen, wie ich zu dem Zusammenhang von Sozialwissenschaft und dokumentierender Fotografie gekommen bin, deren letztes Produkt für mich dieses Buch ist. Der Ursprung war meine Hinwendung zu räumlichen Frage- und Problemstellungen, die mit einer Arbeit über die Entscheidungen und Planungen zum neuen Großflughafen in München begannen und sich dann fortsetzten mit empirischen Analysen zur Lebenswirklichkeit in hochverdichteten Neubaugebieten in Bremen – mit der Frage nach der sozialen Wirkung bebauter Umwelt. In diesem Zusammenhang kam ich mit Tony Sachs Pfeiffer in Kontakt, die sich mittels Fotografie und Gesprächen mit Bewohnern intensiv mit den „Nutzungsspuren“ in öffentlichen und halböffentlichen Räumen von Städten, speziell in Berlin-Kreuzberg, beschäftigte. Dies regte mich an, mich intensiver mit den Möglichkeiten der Fotografie zur dokumentierenden Analyse von städtischen Lebenssituationen zu befassen. Daraus entstand eine Studie für das damalige Bundesbauministerium, die sich mit sozialen Spuren, mit Gebrauchsspuren in ausgewählten Neubaugebieten der alten Bundesrepublik, beschäftigte.
Als sich nach der deutschen Wiedervereinigung ein größeres Forschungsvorhaben zur Erfassung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern in der Form einer von der Bundesregierung geförderten Kommission, der KSPW, konstituierte, war ich federführend zuständig für eine Berichtsgruppe, die sich mit den räumlichen Folgen des Transformationsprozesses in Städten und Regionen befasste. Innerhalb dieser Gruppe regte ich an, diesen Wandel nicht nur mit Analysen, basierend auf Dokumenten und Statistiken, zu verfolgen, sondern auch mit Fotografien, die den Zustand vor der Wiedervereinigung und den bereits stattgefundenen Wandel in den ersten Jahren danach dokumentieren, bildnerisch erhellen sollten. Dabei konnten wir zurückgreifen auf fotografische Ansätze, die bereits vor der Wende im Zusammenhang der Weimarer Hochschule für Architektur und Bauwesen bei dem Stadtsoziologen Fred Staufenbiel verfolgt worden waren und an denen Jürgen Hohmuth bereits beteiligt war. Aus dem Kontakt mit ihm entstand 1997 das Buch Jena. Weimar. Dessau. Städtebilder der Transformation, das diesen Wandel bildhaft und im Kontext begleitender Aufsätze darstellte. Ausgewählte Bilder waren dann auch noch Gegenstand einer Ausstellung des BBR im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin, die zusätzlich mit Bildern anderer Fotografen im Rahmen des „Zukunftsforums Raumplanung“ zusammen mit der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) 2001 im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn gezeigt wurden. Die Bilder von Jürgen Hohmuth waren aus seinem kleinen Luftschiff aufgenommen worden und boten einen ganz eigenen Überblick über Stadt oder Landschaft, der einer räumlichen Sichtweise und Analyse entgegenkam, eine dokumentierende sowie eine gewisse erläuternde Basis dafür anbot.